Die Nacht in dem kleinen, Schweizer Ort Kägiswil, nahe des Vierwaldstätter Sees, war klirrend kalt.
Dominic Pascal hetzte frierend den steilen Abhang hinter seinem Haus hinunter. Die eisige Luft fuhr
ihm schneidend in seine Lungen, das Atmen fiel ihm schwer. Er war mit der leichten Flanellhose des
Schlafanzuges bekleidet, sein Oberkörper war nackt. An den Füßen hatte er nur einen seiner Turnschuhe,
den zweiten hatte er bei dem Sprung von der Hausterrasse in den knietiefen Schnee verloren.
Nach dem Zeug, das sie ihn in die Venen gepumpt hatten, war es aber weniger die Kälte, die ihm zu
schaffen machte, vielmehr war es schwer für ihn die Orientierung zu behalten. Überdies nahm ihm die
dichte Wolkendecke am Himmel jede Sicht und so stolperte er immer wieder auf dem vereisten Boden.
Vor etwa einer Stunde war er von einem eigenartig, dumpfen Geräusch in seinem Haus aufgewacht. Dominic
dachte, dass etwas im Haus gefallen sein musste. Etwas anderes konnte es nicht sein, denn sonst hätte
sein Hund anschlagen müssen, der nachts immer vor seinem Zimmer lag. Dominic war noch etwas schlaftrunken
aufgestanden und in die Stube hinausgegangen um nachzusehen.
Als er aus seinem Schlafzimmer trat, wurde er von hinten gepackt und mit Wucht zu Boden geworfen.
Bevor er sich wehren konnte, waren auch schon zwei Individuen im Dunkeln auf ihn gesprungen und drehten
seine Hände nach hinten. Dann rissen sie ihn hoch und schleiften ihn quer durch die Stube in sein
Arbeitszimmer am anderen Ende des Hauses, in dem seine Arbeitsleuchte am Schreibtisch brannte.
Im fahlen Lichtschein, der in den Flur fiel, sah Dominic, als man ihn vorbeizerrte, seinen Hund.
Der große, gefleckte Berner Sennenhund lag in einer Blutlache am Boden. Dominic, den dieser Anblick
unvermittelt traf, zuckte zusammen und schrie auf. Sein über alles geliebter Hund, was waren das nur
für Menschen, durchzuckte es sein Gehirn. Was wollten die nur von ihm.
Die beiden Schläger wuchteten ihn auf einen Stuhl und banden seine Hände hinter der Lehne zusammen.
»Guten Abend, Herr Pascal«, die Stimme des Mannes, der seitlich auf Dominics Schreibtisch saß,
klang kehlig und hatte einen deutlichen Akzent. »Die Unterlagen!«
»Was?« Pascal starrte ungläubig auf den Mann. Es war Souza, der Sicherheitchef des Konzerns.
»Die Unterlagen, bitte ...« wiederholte Souza ohne jegliche Regung in der Stimme.
»Ich, ich ...« stammelte Dominic, während sein Gehirn fieberhaft an einer Lösung arbeitete aus dieser
Situation herauszukommen, ohne eine Information preisgeben zu müssen. »Ich weiß nicht, was Sie ...«
Die Hand Souzas schnellte vor und seine Faust traf Dominic mit einer derartigen Wucht ins Gesicht,
dass sein linkes Jochbein brach.
»Nochmals«, sagte Souza mit dem gleichen, emotionslosen Tonfall wie vorhin, »wo sind die Unterlagen?«
Dominic schüttelte schmerzverzerrt den Kopf, um wieder klar denken zu können. Er war nicht bereit sein
Wissen an Souza weiterzugeben. Jetzt überhaupt, wo er sah welche Methoden sein Onkel, anwandte um in den
Besitz der Unterlagen zu kommen, wusste er, dass seine Forschung nicht in diese Hände kommen durfte.
Nach einigen weiteren, brutalen Schlägen, sah Souza, dass diese Methode keinen Erfolg brachte.
Er griff in ein kleines Köfferchen, das er auf Dominics Schreibtisch abgestellt hatte und nahm eine Spritze
heraus. Er wendete sich an die beiden Schläger, die bis dahin hinter Dominic gelümmelt waren.
»Schaut, ob im Gewächshaus etwas zu finden ist.«
Die beiden gingen hinaus und Souza jagte Dominic die Spritze in den Arm.
Diesem war es trotz der wiederholten Schläge, während des Verhörs gelungen, die Fesseln etwas zu lösen.
Er spürte, dass es möglich sein müsste, die Hände aus den Stricken zu ziehen.
Die Wirkung der Substanz verwirrte Dominics Denken zwar, nahm ihm aber auch die Schmerzen von den Schlägen.
Obwohl er alles nur mehr wie durch einen Schleier wahrnehmen konnte, riss er trotzdem seine Hände aus den
Schlingen, stieß Souza mit einer heftigen Vorwärtsbewegung zu Boden und stürzte aus dem Arbeitszimmer hinaus
auf die Terrasse des Hauses.
Diese letzten Szenen gingen ihm nun durch den Kopf, während er sich neuerlich hochrappelte und sich bemühte
die Orientierung nicht vollends zu verlieren. Er versuchte in den Schutz der Bäume des kleinen Waldes unterhalb
des Hauses zu kommen. Von dort waren es nur mehr wenige hundert Meter bis zur Straße. Auch hoffte er, zur
eigenen Verteidigung irgendeinen herumliegenden Ast zu finden.
Souza hatte sich bei dem Sturz durch die Attacke von Dominic die Stirn aufgeschlagen. Er fluchte und stemmte
sich hoch. Dominic war inzwischen über die Terrasse hinunter in den Schnee gesprungen und torkelte über die
Wiese. Souza rannte im Haus nach unten, aus dem Eingangstor hinaus, vorbei am kleinen Gewächshaus zur Hinterseite
des Gebäudes und hetzte Dominic nach.
Der war schon knapp vor dem Wald angelangt und Souza wusste, dass er ihn nicht auf die Straße entkommen lassen
durfte. Er holte Dominic kurz vor dem Wäldchen ein und warf sich auf ihn. Dieser strauchelte und schlug der
Länge nach auf eine Eisplatte. Der Aufprall auf dem Eis war so hart, dass Dominic schon tot war, bevor Souza ihn umdrehte.